Prototypische Nutzer: Personas
Jedes Projekt, das sich an künftige Nutzer wendet, sollte sich einen Überblick über diese verschaffen. Dabei hilft es, sich diese bildlich vorzustellen. Zur Veranschaulichung entwickelt man Personas, die repräsentativ für die Zielgruppe sind, und erstellt für drei bis zwölf kurze Steckbriefe.
Eine Persona (lat. Maske) ist ein Modell aus dem Bereich der Mensch-Computer-Interaktion (MCI). Die Persona stellt einen Prototyp für eine Gruppe von Nutzern dar, mit konkret ausgeprägten Eigenschaften und einem konkreten Nutzungsverhalten. Personas werden v.a. im Anforderungsmanagement von Computeranwendungen verwendet. Dazu werden, anhand von Beobachtungen an realen Menschen, einige fiktive Personen geschaffen, die stellvertretend für den größten Teil der späteren tatsächlichen Anwender stehen sollen. Die Anwendung wird dann anhand der Bedürfnisse dieser fiktiven Personen entworfen und unterschiedliche Szenarien durchgespielt. (Wikipedia)
„Personas sind die Archetypen von Kundengruppen – keine realen Kunden.“ (Usabilityblog)
Übrigens: der korrekte Plural von Persona ist laut Duden eigentlich Personae.
Vorteile von Personas
Natürlich kann man für jedes Projekt oder Teilprojekt umfangreiche Befragungen und Analysen der künftigen Nutzer vornehmen. Effizienter ist es jedoch, anhand verallgemeinerter Nutzer (Personas) Lösungen zu erarbeiten und diese in einem Projektstadium anschließend mit einer deutlich kleineren Real-Nutzer-Gruppe zu prüfen.
Wie nutze ich Personas?
Personas dienen als narrative Vorlage, um sich leicht in eine Nutzungssituation hineinzuversetzen. So entsteht eine Geschichte oder Erzählung aus Nutzer-Perspektive basierend auf einer vorgegebenen Figuration und Motivation. Das Erarbeiten einer Narration führt – wie in einem Roman – zu einer intensiveren Identifikation mit den Kunden und verbessert die interne Kommunikation. Personas sind Hilfsmittel, um Lösungen für Fragen und Details zu erarbeiten bzw. Probleme zu erkennen (z.B. in Story-Mapping-Workshops) und als User-Storys festzuhalten. So entstehen Hypothesen und Anregungen.
Personas geben keine Lösungen vor. Sie unterstützen, fremde Probleme zu verstehen und zu erkennen. Jeder wird in seinem Bereich eigene Antworten erarbeiten, wenn die Persona auf ein Thema „losgelassen“ wird.
Personas unterstützen die Kommunikation im Projekt-Team
Statt zahlloser individueller Kunden-Vorstellungen greifen alle Beteiligten auf ein einheitliches Kundenbild zurück. Das erleichtert das gemeinsame Erarbeiten von Ideen und Lösungen. Anekdotische Pseudo-Evidenzien (Privat-Erlebnisse ála „die Berliner Schwaben“ oder „meine Schwägerin sieht das anders“) sind willkommene Anregungen, aber keine Pauschalargumente.
Je nachdem, wie die Personas ausgestaltet sind, erleichtern sie den Story-Telling-Ansatz oder andere kreative Methoden. Ihre Hauptaufgabe ist v.a., die Perspektivübernahme zu erleichtern – Projektbeteiligte stecken meist viel zu tief im Thema und können sich so anhand der Personas in die Nutzersituation hineinversetzen.
Wie repräsentativ sind Personas?
In statistischer Hinsicht sind Personas nicht repräsentativ. Sie stellen herausgegriffene (fiktive) Nutzer und Nutzerinnen dar. In Hinsicht auf das Nutzerspektrum sind sie repräsentativ angelegt: Sie decken idealerweise sowohl die Ränder des Spektrums als auch das Mittelfeld ab. Somit können sie als prototypische Nutzer gelten. Jede Persona wird so entwickelt, dass sie ein in sich ein stimmiges Gesamtbild ergibt. Dabei werden realweltliche Korrelationen und Statistiken zu Rate gezogen – wichtig ist v.a., dass jede Persona für sich lebensnah und lebendig wirkt. Die 1:1-Übertragung von einem Persona-Fakt auf einen anderen ist nicht sinnvoll (ein Zusammenhang zwischen z.B. Alter und Kinderzahl ist nicht verallgemeinerbar).
Einen Steckbrief erstellen
Für jede Persona wird eine kompakte Übersicht erstellt. Diese kann dann während des Projekts konsultiert oder in Workshops verwendet werden. Engagierte Nutzer-in-das-Zentrum-Steller haben meist auch eine ausführliche Version erarbeitet. Diese erleichtert es, vor allem am Anfang, sich in die Persona gut hineinzuversetzen, da sie detaillierter ausfällt. Häufig enthält sie auch eine Vielzahl von Lebensaspekten, die für das konkrete Projekt zwar nicht nötig ist, aber die Figur lebendig werden lässt.
Ein Steckbrief ist rasch erstellt:
- Ein Foto findet man in zahlreichen Fotoanbietern wie fotolia, thinkstock, istockphoto. Werden die Steckbriefe nur intern verwendet, genügen oft Ergebnisse der Google-Bildersuche.
- Jede Person erhält einen Namen, ein Alter und eine kurze Bildungsbiografie (Schulabschluss, Ausbildung, Weiterbildungen, Kurse).
- Der Grad der Kompetenz ist festzulegen: Gelegenheitsnutzer, Power-User, welche Aufgaben oder Tätigkeiten werden regelmäßig erledigt
- Abschließend wird definiert, in welchen Situationen das Projektergebnis benutzt wird: auf Arbeit (fremdbestimmt) oder in der Freizeit (selbstbestimmt), selten oder häufig, intensiv für längere Zeit oder oberflächlich nebenbei für kurze Zeiten.
- Jeder Person gibt man eine sogenannte User-Story mit: Als „Ich“-Satz wird formuliert, was die Person erreichen möchte, welche Ressourcen sie zur Verfügung hat, welche Interessen oder Sorgen oder Erwartungen möglicherweise ihre Entscheidungen beeinflussen. Idealerweise wird auch die Motivation angegeben.
Das könnte eine Persona sagen, die diesen Beitrag lesen soll: „Als interessierter Laie möchte ich mich über Personas informieren, damit meine Projekte erfolgreicher sind. Ich lese meist etappenweise unterwegs auf meinem Tablet. Ich befürchte, dass ich entweder nur allgemeines Blabla erfahre oder so hyperkonkret absurde Beispiele, dass ich wenig Freude beim Lesen habe und es kaum im Alltag anwenden kann.“
Personas im Projekt
Hat man mehrere solcher Steckbriefe verfasst, lässt sich die Richtung eines Projektes gut daraus ableiten. Viele Entscheidungen sind bereits mit der ehrlichen Anfertigung der Profile gefallen. Stellt allerdings eine Marketing-Abteilung solche Steckbriefe zusammen, sollten diese auf Plausibilität geprüft werden. Natürlich möchte das Marketing alle Menschen erreichen und ist versucht, durch ein breites Steckbriefspektrum, alle Fälle abzudecken. Ziel der Steckbriefe ist jedoch, die Kernzielgruppe zu definieren und einen Fokus zu haben, auf den man hinarbeitet.
Steckbriefe leisten außerdem gute Dienste, wenn ein Projekt voranschreitet. Dann püft man regelmäßig anhand der Profile und der User-Storys, ob man sich auf dem richtigen Weg befindet oder welche Persona man enttäuschen würde.
Autor: Alexander Florin bei LinkedIn