Personas in vier Schritten
Personas schaffen eine kommunikative Basis für ein Projekt-Team und helfen dabei, sich in (künftige) Nutzer hineinzuversetzen. So werden Probleme, Feature-Wünsche und Nutzungssituationen besser erlebbar, und bessere Lösungen können entstehen. Diese kann (und sollte) man später mit echten Nutzern prüfen, beispielsweise in User- oder A/B-Tests. Aber vor allem in der Vorbereitung und Konzeption liefern Personas wertvolle Inspiration und sind kostengünstiger als umfangreiche User-Studien und sie bleiben beständig für den gesamten Projektverlauf.
Die Erstellung solcher Personas kann wissenschaftlich fundiert und mit – gerechtfertigt – hohem Aufwand erfolgen. In vielen Fällen genügt es jedoch bereits, überhaupt Personas zu haben. Nach dem Pareto-Prinzip schafft man mit 20 Prozent des Aufwands Personas, die 80 Prozent der Fälle abdecken. Diese helfen allen Beteiligten dabei, ein gemeinsames Verständnis von den Nutzern zu haben und sich in diese hineinzuversetzen.
1. Haupt-Cluster bestimmen
Zunächst verständigt man sich auf die wichtigsten Parameter, welche die Personas abdecken sollen. In vielen Fällen umfasst das:
- Alter: verschiedene Altersgruppen
- Geschlecht: Männer und Frauen
- Familiäre Situation: Single, Paar, Familie, Kinder
- Wirtschaftliche Situation: Haushaltsnettoeinkommen
- Berufliche Situation: angestellt, freiberuflich, Beamter, arbeitslos etc.
- Bildungsniveau: Hauptschule, Abitur, Studium, Ausbildung
- Vertrautheit mit vergleichbaren Themen/Angeboten: Novizen, Experten
Geeignet ist es, mit Alter, Geschlecht und Haushaltsnettoeinkommen zu beginnen. Für alle drei Dimensionen bildet man vier unterschiedliche Ausprägungen: jeweils zwei im Mittelfeld der abzudeckenden Zielgruppe und zwei an deren Rändern. Möchte man vor allem Frauen zwischen 30 und 55 ansprechen, dann könnte man eine 30-jährige Frau, eine 38-jährige Frau, einen 45-jährigen Mann und eine 55-jährige Frau notieren. So ist das Altersspektrum abgedeckt und die Geschlechterverteilung entspricht mit drei Viertel Frauenanteil der Anforderung „vor allem Frauen“.
Auf diese vier ersten Geschlecht-Alter-Paare werden alle weiteren Dimensionen verteilt. In Deutschland beträgt das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen etwa 3.400 Euro. Die Stufen 1.500, 3.000, 4.000 und 7.000 bilden das Spektrum gut ab (zwei im Mittelfeld und jeweils einer an den beiden Rändern). Jede der vier Geschlecht-Alter-Konstellationen erhält nun ein Einkommen, sodass es sinnvoll ist. Je nach Projektziel sind andere Dimensionen geeignet, beispielsweise: Nutzung, Kompetenz und Alter für eine Software oder Fashion-Affinität, Mode-Budget und Geschlecht für eine Mode-Linie. Diese ersten drei Dimensionen sind die entscheidenden und bestimmen den entstehenden Zuschnitt wesentlich. Daher sollten sie mit klarem Blick auf das Projektziel gewählt werden.
Anschließend werden familiäre und berufliche Situation, Bildungsniveau und Kompetenz und gegebenenfalls weitere nützliche Aspekte hinzugefügt: immer das realistische Spektrum in vier für das Projekt relevanten Stufen abbilden und diese auf die vier Personas verteilen. Dabei sind Widersprüche zu vermeiden, beispielsweise sollte eine 30-Jährige mit Studium nicht unbedingt eine 5-köpfige Familie mit 1.500 Euro durchbringen. Solche Fälle gibt es sicherlich in der realen Welt, aber die Persona-Konstellationen sollten jeweils in sich plausibel und lebenstauglich sein. Bei der Zuordnung wählen wir immer die wahrscheinlichste Zuordnung: Zuerst bei einer Mittelfeld-Persona die wahrscheinlichste Stufe eines Spektrums zuordnen und anschließend jeweils die nächste der verbleibenden Stufen bei der wahrscheinlichsten verbleibenden Konstellation notieren.
So könnte das erste Zwischenergebnis aussehen:
Alter |
30 |
38 |
45 |
55 |
Geschlecht |
Frau |
Frau |
Mann |
Frau |
Haushaltsnetto |
1.500 |
7.000 |
4.000 |
3.000 |
Familie |
Single |
verheiratet |
Verheiratet, 2 Kinder |
Verheiratet, 1 Kind, 1 Enkel |
Beruf |
Zahnarzthelferin |
Teamleiterin in Agentur |
Angestellter (Sachbearbeiter) |
Kinder-Erzieherin |
Bildung |
Abitur, Ausbildung |
Abitur, Studium |
Hauptschule, Ausbildung |
Realschule, Ausbildung |
Kompetenz |
mittel |
hoch |
niedrig |
hoch |
Gute Anregungen und Daten liefert das Statistische Jahrbuch des Statistischen Bundesamts. Darin finden sich viele Anregungen und Datenpunkte, um möglichst realistische Werte zu verwenden. Einige Sonderfälle sind jedoch gezielt zu recherchieren, beispielsweise wieviel eine alleinerziehende Hartz-IV-Empfängerin mit zwei Kindern inklusive Kindergeld und Unterhalt als Haushaltsnetto bekommt.
2. Persona-Skizzen anlegen
Anhand dieser ersten Ausprägungen nehmen die Figuren langsam Gestalt an. Höchste Zeit, ihnen Namen zu geben. Dazu orientiert man sich am besten an populären Vornamen. Sicher könnte die 30-Jährige „Sabine“ heißen, aber dieser Name ist in dieser Altersgruppe eher ungewöhnlich. Ziel des Namens ist, dass er sofort passende Assoziationen weckt und sich ganz natürlich zur jeweiligen Persona fügt. Es empfiehlt sich, einen passenden Namen der „Top 10“ für den jeweiligen Zeitraum zu wählen, für die 30-Jährige schauen wir also in die 1980er und entscheiden uns beispielsweise für Jennifer. Die zweite Frau heißt ab sofort Anna, der Mann Markus und die 55-Jährige taufen wir Birgit.
Nun ergänzen wir weitere sachliche Dimensionen, je nachdem, welche für unser Projekt direkt oder indirekt relevant oder interessant oder inspirierend sein können. Zu jeder formulieren wir jeweils vier Ausprägungen (hier einige Beispiele zur Inspiration):
- Ökologisches Interesse: irrelevant, ignorant, beflissen, engagiert
- Technik-Kompetenz: unsicher, Grundkenntnisse, souverän, Experte
- Technik-Nutzung (Gerätetyp, Frequenz): nur auf Arbeit/bei Bedarf, 24/7, Primär- & Sekundärgeräte (Smartphone, Tablet, Laptop, PC)
- Loyalität gegenüber Marken oder Shops: keine, wenige Vorzugsmarken, viele Vorzugsmarken, ausgeprägt
- Shopping-Verhalten: preis-, qualitätsbewusst, nur gezielt bei Bedarf, unbekümmert stöbernd
- Religion: ablehnend, ignorant, interessiert, engagiert (bei Relevanz mit Angabe der Religion)
- Bildungsaffinität, Lesekultur: niedrig, bei Bedarf, mit Interesse, so viel wie möglich
- Medienkonsum: niedrig, sehr selektiv, mit Genuss, intensiv & häufig
- Internet-Nutzung: nur bei Bedarf, erleichtert das Leben, sehr viel, eigentlich 24/7 online
Auch hier achten wir darauf, dass es möglichst realistische Konstellationen bleiben. Dabei können uns Klischees, Beobachtungen aus dem Alltag oder mediale Bilder helfen. Es geht darum, eine in sich stimmige Figur zu entwerfen, die man später schnell erfassen und aufrufen kann. Nach einiger Nutzung genügt im Projekt-Team meist der Name der Persona, und alle wissen, was gemeint ist. Es entstehen Figuren, die man sich gut und einfach vorstellen kann.
Aus den Deutschland-Statistiken können wir uns weiter inspirieren lassen und gesundheitliche, migrantische, kulturelle und soziale Aspekte aufnehmen. Sehr nützlich ist es, wenn wir die Personas außerdem den Sinus-Milieus zuordnen. Für eine bessere Abdeckung überlappen sich zwei Milieus in einer Figur, so ist beispielsweise Anne „Performer mit adaptisch-pragmatischen Tendenzen“, während Jennifer „Bürgerliche Mitte mit hedonistischen Aspekten“ ist.
3. Personas ausformulieren
Jennifer, Anne, Markus und Birgit erwachen langsam zum Leben. Mit jeder Ergänzung haben wir sie besser vor Augen. Wir können nun beginnen, passende Gesichter zu finden. Dabei helfen die Google-Bildersuche und Foto-Dienstleister wie Adobe Stock Fotos. Mitunter hat man das Gesicht eines Prominenten vor Augen. Das ist legitim, aber man sollte kein Standard-Foto von ihm verwenden. Soll Anne beispielsweise wie Julia Roberts aussehen, dann lieber ein wenig bekanntes Foto nehmen, bei dem man nicht sofort denken muss „Achja, die Julia Roberts“. (Achtung bei Fotos wegen Lizenzgebühren! Ich habe hier zur Illustration vier Köpfe aus der OpenClipart-Library verwendet – diese taugen allerdings kaum für gute Personas.)
Bei Bedarf können wir die Bilder später auch gegen andere tauschen. Es sind ja unsere Kreationen. Aber nun schauen wir ihnen erst mal in die Augen und versetzen uns in sie hinein. Welche Wünsche, Sorgen treiben Jennifer, Anne, Markus und Birgit um? Wann empfinden sie Stress und wann Glück? Welche Ziele oder Vorhaben haben sie sich gesetzt?
Wir ergänzen nun drei emotionale Aspekte und tragen bei jeder Persona jeweils zwei bis drei Punkte dazu ein:
|
Jennifer |
Anne |
Markus |
Birgit |
Ziele, Träume |
Familie mit 2 Kindern In einer größeren Praxis arbeiten und mehr Verantwortung |
Lebensstandard mindestens halten Eigene Agentur gründen |
Bis Rente geordnet durchhalten Einen Motorrad-Trip durch Europa |
Gesund bleiben Mehr Zeit mit Enkel |
Happiness |
Unternehmungen mit Freunden Aufregende Konzerte Schmusen mit Katze |
Campingausflüge und Rucksackreisen Interessante Leute treffen Kochen für Familie (wenn zu Besuch kommt) |
Zeit mit Familie Etwas erfolgreich reparieren Skatabend mit Kumpels |
Ausspannen vorm Fernseher Rätselzeitschrift Wanderungen im Gebirge |
Sorgen, Ängste |
Geld am Monatsende knapp Stress auf Arbeit Sich beweisen müssen |
Dogmen, Hierarchien unterwerfen Immer attraktiv sein „müssen“ Zu wenig Zeit, zu viel Hektik |
Funktioniert nicht wie erwartet Ungeduld Burn-out |
Ungerechtigkeit in der Welt Erwartungen anderer Wirtschaftliche Sicherheit |
Diese Befindlichkeiten leiten sich zum Teil aus den sachlichen Aspekten ab, mitunter wirken sie auf diese zurück. Wir haben das Gefühl, wir können Jennifer, Anne, Markus und Birgit in die Seele schauen. Genau das tun wir auch. Wir haben dabei den Vorteil, dass wir die Seele genau so formen und füllen können, wie es für unsere Zwecke geeignet ist.
Der wichtigste Punkt sind aber zwei weitere emotional beeinflusste Aspekte:
- In welchem Kontext werden Jennifer, Anne, Markus und Birgit unser Projektergebnis nutzen?
- Welche persönlichen Erwartungen oder Ziele wollen sie damit erreichen?
Besteht unser Projekt in einem Online-Shop, so müssen wir uns eingestehen, dass die vier nicht unseren Shop nutzen werden, weil sie online-shoppen wollen. Sondern sie wollen für ihr Leben etwas erreichen. Im Fall von Mode möchten sie vielleicht attraktiv und modern erscheinen. Im Fall von Spielzeug möchten sie gute Eltern abgeben oder andere Kinder Freude-auslösend beschenken – oder doch eher die Kindseltern mit pädagogisch wertvoller Spielware beeindrucken. Im Fall von Werkzeug möchten sie ein privates Bau- oder Bastelprojekt abschließen, vielleicht benötigen sie dazu auch Rat und Hilfe. Und für jede der vier Personas sind andere Aspekte wichtig: Anerkennung anderer, Selbstverwirklichung, pragmatische Aufgabenerledigung, eine bisherige Aufgabe mit weniger Aufwand und geringerem Frustpotenzial erledigen. Die Antworten auf diese Fragen ergänzen wir als „Nutzungssituation oder -kontext“ und „Nutzungsziele“ bei den vier Personas.
Indem wir uns für die Personas mit diesen Fragen intensiv auseinandersetzen, schaffen wir eine gute Vorarbeit für die Projektdefinition. Mithilfe der Personas definieren wir, was wir erreichen wollen und warum wir es erreichen wollen (aus Nutzersicht). Das Projekt definiert dann, wie wir dieses Ziel erreichen werden.
4. Personas lebendig werden lassen
Nun kommt die Kür. Wir statten Jennifer, Anne, Markus und Birgit mit jeweils ein bis zwei Schrullen oder Sonderbarkeiten aus. Birgit war in ihrer Jugend Punk, Markus hat eine Katzenallergie, Anne steht besonders auf japanisches Essen und Jennifer schaut gern Horrorfilme.
Wenn wir ambitioniert sind, gestalten wir zu jeder Persona noch eine kleine Foto-Tapete:
- Wohnsituation: Wohnblock, Reihenhaus, Altbau, Einfamilienhaus
- Urlaub: Strand, Gebirge, Clubanlage
- Mobilität: Bahn, Bus, Fahrrad, Auto (klein, groß, jung, alt, günstig, gediegen)
- Medienkonsum: Zeitschriften-Cover, Fernsehsender, beliebte Sendungen
- Idole: Politiker, Stars, Schauspieler/innen, Sänger/innen
- Einkaufsverhalten: Shop-Marken, Discounter, Mode-Label, Online-Shops
- Freizeit: Apps, Sport, Kleingarten, Modellbahn
- Nostalgie: Figuren aus der Kindheit, Kuscheltiere, Kinderserien
- Arbeitsumfeld: Schreibtisch (voll, leer, chaotisch, aufgeräumt, klein, groß), Arbeitsplatz (Großraumbüro, Kleinbüro, Fabrik)
Natürlich hat jede Persona auch eine Stimme. Bei der Beschäftigung mit ihrem Innenleben fällt es uns leicht, zu jeder ein oder zwei knackige Zitate zu (er)finden. Das können auch Aussprüche echter Nutzer oder Menschen sein, die einfach zu einer Figur besonders gut passen. „Wenn die Technik nicht funktioniert, raste ich aus.“ „Ohne meine Familie wäre ich aufgeschmissen.“ „Ich will nicht mit Maschinen reden.“ „Gute Qualität hat ihren Preis.“ „Alles, was ich bin und was ich habe, musste ich mir hart erarbeiten.“ Solche Zitate bringen kompakt wichtige Persönlichkeitsaspekte zum Ausdruck.
In einem kreativen Moment lassen wir nun jede Figur aus ihrem Leben erzählen (hier mal eine Schwangere für einen Online-Shop): „Mit meinem Mann Stefan bin ich seit vier Jahren zusammen, heiraten wollen wir auch – aber erst nach der Schwangerschaft. Wir schauen derzeit, ob wir bald in eine größere Wohnung ziehen. Gerade ist eine spannende Zeit für uns. Auf einen Schlag hat sich für uns vieles geändert und alle geben Hinweise und wollen wissen, wie es mir geht. Wir versuchen da locker und ruhig zu bleiben – seit Jahrtausenden werden Kinder geboren. Wenn ich online shoppe, achte ich immer auf Gutscheine. Mit Google-Shopping finde ich oft günstige Preise. Ich suche selten gezielt ein bestimmtes Produkt, sondern kaufe meist nur nach Bedarf. Wenn ich was Geeignetes günstig sehe, schlage ich zu. Mir macht es Spaß, nach Schnäppchen zu schauen und Gutscheine zu sammeln, Gutscheinpony ist bei mir ein wichtiges Lesezeichen.“
Nun haben wir das Gefühl, Jennifer, Anne, Markus und Birgit schon lange zu kennen. Vor unserem inneren Auge sind sie lebendig und sprechen mit uns. Wir wissen, was sie antreibt und können uns gut vorstellen, wie sie in bestimmten Situationen reagieren, was ihnen wichtig ist, wo sie Probleme haben werden. Höchste Zeit, dass wir sie auf unser Projekt loslassen …
Organisatorische Hinweise
Solche Personas erstellt man in einer kleinen Gruppe von zwei bis maximal vier Personen mit möglichst unterschiedlichem beruflichem Hintergrund. Das ist relativ schnell erledigt. Anschließend stellt man sie dem Projekt-Team vor und schaut, ob noch Änderungen oder Ergänzungen nötig sind. Vor allem prüfen wir dabei, ob wir wirklich jeweils das gesamte Spektrum abgedeckt haben: Wenn diese vier Figuren unser Projektergebnis nutzen – haben wir damit tatsächlich 80 Prozent der Zielgruppe abgedeckt oder fehlt jemand?
Personas, die auf solche Weise erstellt wurden, können nicht dazu dienen, Budgets oder Ressourcen zu verteilen. Ihre Funktion ist vor allem inspirierender Natur: Was würde Jennifer, Anne, Markus und Birgit an unserem Projektergebnis gefallen, was würde sie stören? Wie werden sie damit umgehen? So entstehen zahlreiche Ideen und Anregungen, wie etwas umzusetzen ist oder welche Aspekte im Projekt besonders wichtig sein können. Sie geben den Projekt-Beteiligten eine Außen-Perspektive auf ihre Arbeit. Somit besteht ein Projekt-Team nicht nur aus sechs Mitgliedern, sondern aus sechs Mitgliedern und vier Nutzern, die die ganze Zeit dabei und stets verfügbar sind.
Wir haben in den vier Schritten sehr viel Material zu jeder Persona zusammengetragen. Das ist zu viel für den Alltag. Daher empfiehlt es sich, kompakte Versionen zu destillieren, die jeweils auf eine Din-A5-Karte passen: das Bild, der Titel und nur etwa ein Dutzend der zusammengetragenen Aspekte. Dazu noch ein bis drei kurze Zitate (oder wir sind cool und machen zweiseitige Kompaktversionen: eine sachliche Seite und eine emotionale Seite). Fertig. Am Projekt-Anfang beschäftigen sich natürlich alle Beteiligten einmal ausführlich mit den Lang-Versionen. Aber in Workshops, im Projektfortschritt etc. genügt es, die Kompaktversion zu verwenden.
Hinweise für Sonderfälle
Natürlich nimmt man als eine Dimension auch auf, wie versiert die Zielgruppe mit Angeboten der Konkurrenz oder den bisherigen Angeboten ist. Wenn möglich, qualifiziert man das durch Angaben, was sie besonders mögen und was besonders stört. Möchte man beispielsweise eine Software oder Webseite weiterentwickeln, gibt es fast immer Konkurrenz und meist auch brauchbare Daten über die eigene bestehende Zielgruppe — solche Daten sind ungeheuer wertvoll in der Erstellung. Die allgemeinen Daten aus globalen Statistiken nehmen wir, wenn keine eigenen vorliegen. User-Befragungen im Vorfeld können ebenfalls wertvollen Input liefern. Mitunter bietet es sich sogar an, eine Persona einer echten befragten Nutzerin ganz oder teilweise nachzuempfinden; wenn das Material es hergibt und die Anonymität gewahrt bleibt, ist das sehr sinnvoll.
Ist die Zielgruppe sehr schmal, beispielsweise 35-jährige Männer mit Agoraphobie, genügen auch zwei Personas. Mehr als fünf sollten es jedoch nie sein, vier eignen sich besonders gut, da sich die meisten Aspekte als vierstufiges Spektrum gut abbilden lassen. Außerdem gibt es so keine einzelne Mittelspersona, die sonst als Hauptreferenz herhalten muss.
Bezieht sich die Zielgruppe auf ein sehr präzises Lebensereignis, beispielsweise eine Schwangerschaft, Unternehmensgründung oder Wohnortwechsel, legt man zwei der vier Peronas auf wichtige Phasen dieses Ereignisses. Die dritte befindet sich etwa zwei Jahre vor dem Ereignis und möchte es erst noch erreichen, und die vierte hat es bereits etwa zwei Jahre hinter sich. Auf diese Weise geraten in der Beschäftigung auch Fragen aus der Vorbereitung und aus der Rückschau in den Blick.
In einigen Fällen benötigt man außerdem eine ergänzende Teufels- oder Saboteurs-Persona. Bei Webseiten kann das ein Skript-Kiddie oder Hacker sein, bei anderen technischen Projekten ein missgünstiger Konkurrent oder tatsächlich ein Saboteur. Diese Persona wird getrennt von den anderen behandelt und auch im Projekt-Team separat besprochen. Während die anderen Personas helfen, einen guten „Happy Path“ zu erarbeiten, werden mithilfe dieses Teufels technische Schwachstellen und Risiken identifiziert.
Autor: Alexander Florin bei LinkedIn