Journalist als Dienstleister
Der journalistische Autor ist Dienstleister und hilft den Lesern dabei, sich eine Meinung zu bilden. Er hält sich mit seiner Meinung, seiner Einschätzung usw. zurück. Allein durch die Tatsache, dass er auswählt, welche Fakten und Zitate er verwendet und in welcher Reihenfolge er die Informationen darbietet, hat er mehr Macht als mit allen Kommentaren, die er während seines ganzen Lebens schreiben könnte.
Ein Text sollte ruhig mehrere Zitate aufweisen, möglichst von verschiedenen Personen, sonst hätte man ein Interview machen können. Als Orientierung: Etwa zehn bis vierzig Prozent eines Textes können wörtliche Rede sein – das macht es auch anschaulich und persönlich. Gut sind kurze, knackige Zitate, denen man anmerkt, dass sie nur von dieser Person stammen können. Indirekte Rede ist nur dann gerechtfertigt, wenn es um heikle Fakten geht, also eine Distanzierung hergestellt werden muss. Zitate oder indirekte-Rede-Passagen von mehr als drei Druckzeilen sind zu vermeiden. Dass Zitate Texte auflockern, kann auch ein Nachteil sein; ein guter Text ist dicht und verwendet die Zitate, um seine Argumentation voranzubringen, nicht um plötzlich lockerer zu werden.
Besonders Berichte und Artverwandte sollen durch Konkretheit bzw. konkrete Beispiele in die Lebenswirklichkeit der Leser wirken. Gerade bei der Schilderung von persönlichen Schicksalen oder Beispielen ist aber auf den Zeigefinger („bild“-Zeitung) zu verzichten; niemand will bloßgestellt werden (Anstand, Pietät und Angemessenheit sind wichtige Schlüsselbegriffe).
Ein gut sprechbarer Text ist ein gut lesbarer Text. Entweder selbst den Artikel vor sich hin laut vorlesen oder sich von jemandem vorlesen lassen. Jeder Text, der diesen Test problemlos besteht, darf mit den anderen Regeln brechen:-)
Autor: Alexander Florin bei LinkedIn